Tunesien: Erster homosexueller Kandidat bei Präsidentenwahl
Homosexualität wird in Tunesien hart bestraft. Schwule und Lesben sowie transsexuelle Personen leben im Verborgenen. Sie haben Angst vor staatlicher Verfolgung und Intoleranz. Homosexuelle Menschen werden in dem arabischen Land nach wie vor gesellschaftlich geächtet. Nun kandidiert ein offen schwul lebender Politiker für die Wahl des Präsidentenamts.
Präsidentschaftswahl wurde vorgezogen
Der tunesische Staatschef war im Juli überraschend verstorben. Aus diesem Grund wurde die Wahl vorgezogen. Tunesien hat am Demokratisierungsprozess festgehalten. Das Land, das den Meilenstein für den Arabischen Frühling gelegt hat, leidet derzeit unter vielen Problemen. Arbeitslosigkeit und islamischer Fundamentalismus stehen dabei im Zentrum.
Homosexueller Jurist will Präsident werden
Der tunesische Anwalt Mounir Baatour, Mitglied der liberalen Partei, will Präsident werden. Er ist Mitbegründer von Shahms, einer Organisation, die sich für die Rechte von Homosexuellen in Tunesien einsetzt und gegen die Kriminalisierung von gleichgeschlechtlicher Liebe kämpft. Der Jurist hat 2013 selbst für drei Monate hinter Gittern gesessen. Ihm wurde der Sex mit einem 17-jährigen Mann vorgeworfen. Allerdings haben sich die Anschuldigungen als haltlos erwiesen.
Abschaffung von Paragraf 230
Homosexualität ist in Tunesien gesetzlich verboten und steht unter Strafe. Der Paragraf 230 regelt das Vergehen. Sogar im Gefängnis kann man wegen seiner sexuellen Orientierung landen. Für gleichgeschlechtlichen Sex können bis zu drei Jahren hinter Gittern drohen. Als erste Amtshandlung will der Jurist Mounir Baatour den Paragrafen aus dem tunesischen Strafgesetzbuch streichen. Auch andere Verordnungen, mit denen Schwule vor Gericht landen können, sollen folgen.
Ablehnung aus der LGBT-Szene
Nun würde man denken, dass ihm die Unterstützung aus der Schwulen- und Lesbenszene gewiss ist. Doch seit Bekanntschaft der Kandidatur schlägt ihm von dieser Seite starke Ablehnung entgegen. 18 Schwulen- und Lesbenorganisationen haben eine Petition unterzeichnet. Sie sehen den tunesischen Juristen als Gefahr für ihren Kampf um Gleichberechtigung. Der Vereinigung von Baatour, Shahms, wird Zwangsouting vorgeworfen. Dieses kann für Politiker und Prominente sehr gefährlich werden. Laut ihren Vorwürfen wurden bereits Existenzen deshalb zerstört. Auch seine Israelfreundlichkeit wird ihm angekreidet.
Homosexuelle leben im Verborgenen
In Tunesien leben homosexuelle Menschen überwiegend im Verborgenen. Das Land, das eine sehr junge Bevölkerung hat, 50 % sind unter 30 Jahren, gibt sich gerne als modern. Das ist allerdings allzu oft Fassade. Die Jungen verfügen über Smartphones und Internet. Schauen amerikanische Serien. Kleiden sich westlich. Frauen studieren.
Doch Schwule und Lesben sind nach wie vor gesellschaftlich geächtet. Sie werden diskriminiert und von ihren Familien verstoßen. Viele konsumieren deshalb Drogen oder begehen Suizid. Der islamische Glaube lässt sich mit Homosexualität nur schwer vereinen. Vor allem homosexuelle Menschen in höheren Ämtern fürchten um ihren Status.
Tunesien, das auch als das Land des Arabischen Frühlings gilt, geht mit der Kandidatur des homosexuellen Juristen Mounir Baatour einen großen Schritt in Richtung Demokratie. Das Land ist im Aufbruch. Die junge Bevölkerung wünscht sich ein westlich orientiertes, modernes Leben. Allein die Kandidatur kann viel bewegen. Sie macht auf die Missstände und Diskriminierung gegen Homosexuelle weltweit aufmerksam.