Gegen das Kükenschreddern – Geschlechtsbestimmung im Ei?
Für die industrielle Landwirtschaft sind sie wertlos: Junge männliche Küken werden sofort nach dem Schlüpfen getötet. Um das verhindern zu können, arbeiten deutsche Forscher an einer Geschlechtsbestimmung, die bereits am Ei durchgeführt werden kann.
Die Schattenseiten der Landwirtschaft
Hähnchenfleisch und Eier sind so billig wie noch nie – industrielle Haltung und Verarbeitung machen es möglich. Moderne Hochleistungshennen produzieren in Rekordzeit viel Muskelmasse oder mindestens 300 Eier pro Jahr. Die Hälfte der frisch geschlüpften gelben Flauschbällchen sind aber Männchen, und für die ist in diesem System kein Platz. Sie werden vergast oder bei lebendigem Leib geschreddert – allein in Deutschland jährlich 45 Millionen Küken.
Verbraucher wehren sich
Diese Massentötung erregt in zunehmendem Maße die Gemüter der Verbraucher. Ein Verbot würde das Problem lediglich ins Ausland verschieben. Nicht nur aus ethischen, sondern auch Gründen des Tierschutzes ist das bisherige Verfahren aber nicht tragbar.
Forscher arbeiten an einer Lösung
Immerhin ist das öffentliche Interesse mittlerweile im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) angekommen. Zentraler Bestandteil der Tierwohlinitiative „Eine Frage der Haltung – Neue Wege für mehr Tierwohl“ ist die Förderung von Projekten zur Geschlechtsbestimmung im Ei. Hierzu gehört ein Forscherverbund aus Wissenschaftlern der Universität Leipzig und der TU Dresden. Die Koordinatorin Prof. Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns von der Klinik für Vögel und Reptilien in Leipzig hat für ihre Arbeiten 2015 den Felix-Wankel-Tierschutz-Forschungspreis erhalten. Beteiligt sind außerdem das Dresdner Unternehmen Evonta Technology und die Lohmann Tierzucht GmbH als größter deutscher Legehennenproduzent.
Wie funktioniert die Geschlechtsbestimmung?
Beim bisher vielversprechendsten Verfahren bohrt man mit einem Laser ein mikroskopisches Loch in die Eischale, um mit einem weiteren Laser im nahen Infrarotbereich ein Blutgefäß bestrahlen zu können. Dabei misst man die Fluoreszenz des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin. Im Gegensatz zum Menschen haben bei Vögeln rote Blutkörperchen einen Zellkern und enthalten damit die Information über das Geschlecht. Dadurch ist das Farbspektrum des abgestrahlten Lichts je nach Geschlecht geringfügig unterschiedlich: Eine bestimmte Bande des Spektrums ist typisch für männliche Küken.
Vorteile der Methode
Dieses Verfahren ist zerstörungsfrei und erfordert keinen Kontakt, sodass weder Reinigung noch Desinfektion nach jeder Messung notwendig sind und dadurch keine Kosten anfallen. Eine Messung dauert lediglich 15-20 Sekunden und führt zurzeit bei über 90 % der Fälle zu einer korrekten Zuordnung des Geschlechts. Eine solche Bestimmung ist bereits am dritten Bruttag möglich und damit lange vor der Ausbildung der ersten Nervenzellen, die Voraussetzung für Schmerzempfindungen wären. Die männlichen Bruteier können somit rechtzeitig aussortiert und verarbeitet werden, etwa als Futtermittel oder in der chemischen Industrie. Zudem werden weder die Schlupfrate noch die Lege- oder Fleischleistung der Hühner durch die Messung beeinträchtigt.
Skeptiker wenden ein, dass für industrielle Maßstäbe eine Genauigkeit über 98 % und eine Durchsatzrate von mindestens 50.000 Eiern pro Stunde wünschenswert wären. Immerhin müssen in Deutschland rund 100 Millionen Eier pro Jahr untersucht werden. Die wenigsten sind so optimistisch wie der Bundeslandwirtschaftsminister, der schon Ende 2017 das Ende des Kükenschredderns kommen sieht – weitere fünf bis zehn Jahre Entwicklungsarbeit sind wohl realistischer. Aber auch wenn die Methode noch nicht perfekt für den industriellen Einsatz ist, erscheint der Ansatz doch bereits ausgesprochen vielversprechend.