Der Zuhörer-Kiosk in Hamburger U-Bahn-Station
In einer Hamburger U-Bahnstation hat ein 71-jähriger Mann vor kurzem einen ganz besonderen Kiosk eröffnet. Anders als man vielleicht erwartet, verkauft er keine Getränke, Zeitschriften oder Süßigkeiten. Er leiht Passanten und Touristen sein Ohr, schenkt ihnen Aufmerksamkeit und verlangt dafür keinen Cent.
Eine Notwendigkeit in der heutigen Zeit?
Anfangs hatte der Begründer des Zuhörer-Kiosks, Christoph Busch, keine Vorstellung, wie vielen Menschen er mit seiner innovativen Idee helfen würde. So rechnete er nicht mit besonders großer Akzeptanz im Bahnhof oder gar nennenswertem Zulauf. Doch schnell war klar, dass die zufällig vorbeikommenden Passanten sehr großes Interesse daran haben, dass er ihnen und ihren Geschichten ein offenes Ohr spendet. Teilweise ist der Andrang an einem Tag so groß, dass sich regelrecht Schlangen bilden und Wartezeiten entstehen.
Das große Interesse an einem Zuhörer ist im hektischen Alltag der heutigen Zeit auch nicht verwunderlich. Viele Menschen erleben einen stressigen und turbulenten Alltag und nehmen sich nur noch selten die Zeit für persönliche Gespräche. Die Technisierung unserer Kommunikation hat zur Folge, dass wir uns häufig per Telefon, Sprachnachrichten oder gar ausschließlich Textnachrichten austauschen. Die Abendgestaltung wird immer häufiger vom laufenden Fernseher oder Spielen auf dem Handy oder Tablet begleitet und steht einem ruhigen ausführlichen Gespräch im Weg. Außerdem leben immer mehr Menschen allein ohne Partner oder alternativ in einer wenig persönlichen Wohngemeinschaft. Mit seinem Zuhörer-Kiosk liegt Christoph Busch damit also genau im Trend und erfüllt den Menschen einen unausgesprochenen Wunsch nach mehr Aufmerksamkeit.
Genug Geschichten für ein eigenes Buch
Doch worin genau liegt der Nutzen für Christoph Busch bei den zahlreichen Gesprächen? Vor ungefähr 20 Jahren schrieb er noch für eine bekannte Zeitung über die Geschichten von fremden Menschen. Doch auch nachdem diese Serie wieder eingestellt wurde, hörte er nie auf, sich für diese Thematik zu interessieren. Als er dann von dem leerstehenden Kiosk in der U-Bahnstation erfuhr, zögerte er nicht lange und ist seitdem Mieter vom Zuhörer-Kiosk. Für eine monatliche Miete von knapp 230 Euro allerdings kein günstiges Hobby. Herr Busch möchte daher bald ein eigenes Buch mit den Informationen und Erzählungen der Menschen füllen und freut sich, dass er bereits nach wenigen Wochen schon einiges an Material gesammelt hat.
Allgemein bleibt zu sagen, dass das Modell dieses Kiosks genau das zu sein scheint, was wir heute brauchen, um dem Alltag zu entfliehen und den Kopf frei zu kriegen. Ein neutraler Zuhörer hilft dabei, den Ärger und Frust loszuwerden, durcheinander geratene Gedanken wieder neu zu ordnen und Probleme mit einem gewissen Abstand neu zu betrachten. Denn einmal ausgesprochen, erscheinen viele Dinge im neuen Licht und weniger schlimm als vorher. Schön, dass die Hamburger Passanten diesen Zuhörer in Christoph Busch finden können.