Das Phänomen der Heimkehrer – Abwanderung West nimmt zu
Knapp 30 Jahre hat es gedauert, dass sich eine einst für Tausende von Menschen schmerzliche Bewegung westwärts ins Gegenteil verkehrt. Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, um dem Ruf des Wohlstandes zu folgen. Menschen, die darauf hofften, ein Leben in finanzieller Sicherheit führen zu können. Aber auch Menschen, die für dieses Gefühl von Sicherheit ein großes Opfer brachten und ihre Heimat, den Osten, hinter sich ließen. Gehen wir auf Spurensuche nach Menschen, die nicht vergessen haben, wo ihre Wurzeln sind. Heimkehrer sind zurück auf dem Weg in ihre Heimat.
Genickbruch nach der Wende
Mit der Wende war Feierabend für einen beachtlichen Teil des werktätigen Volkes. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt schwankte von unübersichtlich bis schlecht. Wer nicht das Alter hatte, um den Absprung in die Rente zu schaffen, hatte kaum eine wirtschaftliche Perspektive. Immer öfter ging der Blick rüber in den Westen, wo sich den ostdeutschen Mitbürgern ein attraktiver Arbeitsmarkt bot. Wer seine Familie durchbringen wollte, musste aktiv werden. Dass dafür ein hoher Preis gezahlt werden musste, nahm ein Großteil in Kauf. Viele ehemalige DDR-Bürger bauten sich im Westen ein neues Leben auf, gewannen Freunde hinzu, gründeten oder vergrößerten ihre Familien. Zurück blieben Eltern, Großeltern und Geschwister, die die Hoffnung auf eine Rückkehr nie aufgaben.
Der Osten stirbt aus
Im Osten macht sich Stille breit. Brachland ziert die Szenerie. Unkraut wuchert. Optimisten reden trotz allem von blühenden Landschaften. Fenster und Türen sind vernagelt. Städte und Dörfer gleichen einer Geisterregion. In den Fabriken herrscht gähnende Leere. Man schielt neidvoll gen Westen. Ob der Ruf des Westens auch ein Echo hat?
Die Aufholjagd des Ostens
Heute, knapp 30 Jahre nach der Wende, hat das Gesicht des Ostens Farbe bekommen. Industriestandorte sind wie Pilze aus dem Boden geschossen. Forschungszentren sorgen für attraktive Arbeitsplätze. Die Arbeitslosigkeit ist stark degressiv. Unternehmen suchen händeringend nach Nachwuchs. Der wirtschaftliche Aufschwung der vergangenen Jahrzehnte sorgte dafür, dass das Portmonée der Firmenbosse heute deutlich lockerer sitzt. Die Gehälter entspannten sich auch jenseits des Mindestlohnes. Der Osten boomt und es macht viele der weggezogenen Wendekinder sehr stolz, sich wieder in den Dienst ihrer Heimat zu stellen.
Phänomen Heimkehrer
Viele der Abwanderer haben in den alten Bundesländern eine Familie gegründet. Die Geburt eines Kindes sorgt oft dafür, sich mit der eigenen Kindheit auseinanderzusetzen. Man erinnert sich daran, wie behütet man aufgewachsen ist. Wie schön es war, Familie und Freunde jederzeit in der Nähe zu haben. Menschen, auf die man sich bedingungslos verlassen kann. Und man möchte, dass es dem eigenen Kind genauso widerfährt. Dass es weiß, wo seine Wurzeln sind. Sein Kind zu Oma und Opa bringen, ohne erst hunderte Kilometer fahren zu müssen.
Gibt es einen schöneren Grund für die Zunahme der Abwanderung West? Schön, dass einen im 21. Jahrhundert keine materiellen Werte mehr von der eigenen Heimat trennen müssen.