Egoismus muss nicht immer egoistisch sein
„Du bist aber egoistisch!“ – Wer diese Aussage hört, hat meist sofort ein schlechtes Gewissen. Versuche der Rechtfertigung oder doch einen Gefallen zu tun, den man bereits abgelehnt hat, sind meist die Folge. Doch ist Egoismus tatsächlich so verkehrt? Ein weiterer Begriff, der egoistisches Verhalten beschreibt, ist Selbstliebe – auch hier haben viele Menschen ein eher gemischtes Gefühl – warum eigentlich?
Was bedeutet es, sich selbst zu schätzen?
Sich selbst zu lieben heißt in erster Linie: „Ich kenne mich richtig gut!“. Menschen, die sich selbst lieben, wissen um ihre Stärken und Schwächen. Für ihre Schwächen suchen sie sich gerne Mitspieler, deren Stärken die eigenen Schwächen sind. Sich selbst zu lieben bedeutet, ganz klar zu wissen, wer man ist, was man braucht und wie man in bestimmten Situationen reagiert.
Selbstliebe ist die Kompetenz, sich so gut einschätzen zu können, dass man keine Kompromisse eingeht, die einem selbst schaden oder schwächen. Und das kann schließlich nicht verkehrt sein oder?
Menschen, die sich selbst lieben, wissen genau um ihre moralischen Werte und können diese nicht nur klar benennen, sondern der Situation abhängig favorisieren. Meist ist es die Klarheit, die anderen Menschen imponiert.
„Du bist aber egoistisch!“
Menschen, die sich selbst lieben und die Fähigkeit haben, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen, ziehen häufig Menschen an, die diese Kompetenz nicht so ausgeprägt haben! Zuerst erhält der betroffene Mensch für seine Klarheit Bewunderung. Attribute wie Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit und „steht mit beiden Beinen fest im Leben!“ dienen der Beschreibung des Betroffenen. Der Vorwurf „Du bist aber egoistisch!“ kommt meist dann, wenn die Klarheit des Gegenüber eine Bitte oder ein Verhaltenswunsch klar ablehnt. Die Eigenschaft, die zuvor so bewundert wurde, wird nun hinterfragt. Natürlich gehört es zum sozialen Miteinander, an der ein oder anderen Stelle Kompromisse einzugehen. Doch viele Menschen haben das Gefühl verloren, welcher Kompromiss „noch“ okay ist und welcher einem Menschen individuell schadet. Der individuelle Blick lohnt sich hier, denn was für den einen keine große Sache ist, kann für den anderen ein hohes Maß an Überwindung bedeuten. Umso wichtiger ist es, „egoistisch“ zu sein und dem inneren Impuls zu folgen!
Egoismus ist alles andere als „egoistisch“
Sicher erkennen einige sich jetzt wieder: Eine Situation, eine Bitte oder ein erwartetes Verhalten wird immer und immer wieder abverlangt, obwohl der eigene Bauch ganz klar „Nein!“ dazu sagt. Überschreitet man diese Grenze, fühlt es sich falsch an, es raubt Energie und hinterlässt einen faden Beigeschmack.
Achten Menschen ihre Bedürfnisse und folgen den inneren Impulsen, gibt dieses Verhalten hingegen Kraft und Energie. Das vermeintlich „egoistische“ Verhalten stärkt den betroffenen Menschen in seiner Selbstwirksamkeit. Nur, wer sich gut um sich kümmert, kann auch verlässlich für andere da sein! Für zukünftige gesellschaftliche Herausforderungen braucht es Menschen, die klar wissen, wer sie sind und was sie brauchen. Daher ist Egoismus nicht (immer) „egoistisch“!