Die EinDollarBrille: Erschwingliche Sehhilfen für die Dritte Welt
Stellen Sie sich vor, man würde bei uns allen Fehlsichtigen die Brille wegnehmen – die wirtschaftlichen Folgen wären verheerend. In Entwicklungsländern können sich schätzungsweise 700 Millionen Menschen keine Brille leisten, mit der sie arbeiten oder lesen und schreiben lernen könnten. Der EinDollarBrille e. V. hat sich das Ziel gesetzt, solchen Menschen finanzierbare Sehhilfen zu bieten und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen.
Hilfe zur Selbsthilfe statt Entwicklungshilfe
Der sozial engagierte Millionär Paul Polak hält nichts von Almosen. In seinem Buch „Out of Poverty“ beschreibt er Wege aus der Armutsfalle durch Schaffung von Arbeitsstellen und gleichzeitige Hilfe für die Armen. Sozusagen eine Erweiterung der Geschichte mit dem Fisch und der Angel: Zeigt man einem Armen, wie man Angeln baut, kann er diese verkaufen und anderen dabei helfen, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen.
Die Brillenfabrik in einer Holzkiste
Martin Aufmuth aus Erlangen las 2010 dieses Buch, in dem unter anderem beklagt wird, dass es keine billige Brille gibt, die armen Fehlsichtigen die Teilnahme am Erwerbsleben ermöglichen würde. Er fragte sich, warum man in Deutschland Lesehilfen für einen Euro bekommt und das in Afrika nicht möglich sein soll. Im heimischen Keller tüftelte er eine kleine Biegemaschine aus, mit der sich ein einfaches Brillenmodell herstellen lässt. Aufmuth gründete den gemeinnützigen EinDollarBrille e. V., der mit Spendengeldern diese Apparate herstellt und für ihren Einsatz in der Dritten Welt sorgt.
Eine einfache Konstruktion
Rahmen und Bügel der EinDollarBrille bestehen aus Federstahl. Die kratzfesten Polykarbonatgläser werden in China in speziellen Formen gegossen, sodass weder Schliff noch Politur nötig sind. Hinzu kommen Schrumpfschläuche an Steg und Bügeln sowie bunte Perlen als Schmuckelemente. Die Brillen gibt es in Sehstärken von -8 bis +10 Dioptrien.
Die Hersteller werden vor Ort zwei Wochen lang ausgebildet. Sie erhalten leihweise eine aus Spenden finanzierte Biegemaschine im Wert von 2.400 Euro inklusive Material für 1.000 Brillen. Nach einem simplen Sehtest fertigen sie ihren Kunden innerhalb einer halben Stunde eine Brille. Mit etwas Übung lassen sich so rund 600 Brillen pro Monat herstellen, ganz ohne Strom oder Wartungsaufwand.
Nur was etwas kostet, ist auch etwas wert
Die Herstellungskosten der Brillen liegen bei etwa einem Dollar. Sie werden nicht gratis abgegeben, sondern kosten je nach Land zwei bis drei Tageslöhne. Denn was verschenkt wird, erfährt auch keine Wertschätzung. Das sieht ganz anders aus, wenn der Gegenwert etwa einem Huhn entspricht.
Eine Brille verändert die Welt
Einen Testlauf gab es 2012 in Uganda. In Burkina Faso unterstützt die Siemens-Stiftung den Verein, in Malawi die Else Kröner-Fresenius-Stiftung. In Afrika ist man außerdem in Ruanda, Benin und Äthiopien tätig, in Lateinamerika in Brasilien, Mexiko und Bolivien. Kenia, Indien und Nepal sollen demnächst folgen.
Rund 150.000 Personen konnte man bereits mit der EinDollarBrille helfen. Langfristiges Ziel ist die Versorgung von weltweit 150 Millionen Menschen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen wären immens. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass der Dritten Welt durch Fehlsichtigkeit jährlich über 200 Milliarden Dollar verloren gehen. Zum Vergleich: Die OECD hat 2016 für Entwicklungshilfe gerade mal 143 Milliarden Dollar ausgegeben.
So geht Social Business! Ein simples Konzept, das die Kraft hat, die Welt zu verändern.