Cannabis-Wirkstoff gegen Demenz – erfolgreiche Studien
Hanf wird in China und Indien schon seit über 4.000 Jahren medizinisch verwendet. Mittlerweile weiß man ihn auch bei uns als wirksames Medikament gegen chronische Schmerzen und krankheitsbedingte Appetitlosigkeit zu schätzen. In Ausnahmefällen kann Cannabis bei AIDS, Rheuma oder Krebs verschrieben werden. Jetzt haben zwei Wissenschaftler herausgefunden, dass bestimmte Wirkstoffe der Pflanze auch bei Menschen mit Demenzerkrankungen von Nutzen sein könnten.
Das Regulierungssystem des Körpers
Professor Raphael Mechoulam, Pharmakologe an der Hebräischen Universität Jerusalem, isolierte in den 1960er Jahren erstmals psychoaktive Substanzen, sogenannte Cannabinoide, aus Marihuana. Er konnte zeigen, dass der Mensch selbst ähnliche Substanzen bildet, die eine ganze Reihe von Körperfunktionen maßgeblich beeinflussen. Die entsprechenden Stoffwechselwege werden als Endocannabinoidsystem (ECS) bezeichnet. Dieses ist eine entscheidende Schaltzentrale des Körpers, über sich wichtige Gehirnfunktionen wie Lernen und Gedächtnis oder Schlaf und Schmerzempfinden regulieren. Dazu gehören aber auch scheinbar völlig andersartige Systeme wie das Immunsystem, die Verdauung oder die Regulation der Körpertemperatur. Störungen des ECS führen zu Krankheiten wie Multipler Sklerose, Parkinson oder Chorea Huntington. Ebenso scheinen typische Alterungsprozesse wie abnehmende Lernfähigkeit und Gedächtnisleistung, Osteoporose oder das Runzligwerden der Haut maßgeblich beeinflusst zu werden.
Cannabis macht alte Mäuse wieder jung
Professor Andreas Zimmer, ein Bonner Neurowissenschaftler, fragte sich, ob solche Alterungsprozesse durch Verabreichung von Inhaltsstoffen der Hanfpflanze umgekehrt werden können. Tatsächlich vermochten Cannabinoide sowohl Gedächtnis als auch Lernvermögen alter Mäuse dramatisch zu verbessern. Nicht nur das, die so behandelten Tiere waren von ihrem Verhalten her nicht mehr von jungen Artgenossen zu unterscheiden. Erste Hinweise auf eine Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf den Menschen liegen den Kollegen um Professor Mechoulam vor. Bewohnern eines Seniorenheimes verabreichte man entsprechende Substanzen gegen Schlafstörungen und Appetitlosigkeit. In der Tat verschwanden diese Symptome. Gleichzeitig stellte man fest, dass die alten Menschen zudem geistig wesentlich reger waren als vor der Einnahme.
Wie funktioniert das?
Typisch für Alzheimer sind sogenannte Amyloid-Ablagerungen in Gehirnzellen, die namensgebenden Alzheimer-Plaques. Schon vor Jahren wurde festgestellt, dass diese das körpereigene ECS außer Funktion setzen. Die Folge sind Entzündungsvorgänge, die unter Beteiligung des Immunsystems zum Absterben der betroffenen Gehirnzellen führen. Eine solche Fehlfunktion kann durch die Gabe von Substanzen wie THC verhindert werden. Darüber hinaus scheinen bestimmte Cannabinoide sogar Amyloid aus Gehirnzellen entfernen zu können.
Eine bahnbrechende Entdeckung
Sollte sich in klinischen Studien bestätigen, dass Cannabinoide in der Lage sind, Amyloid zu beseitigen, wäre theoretisch nicht nur das Aufhalten, sondern sogar die Besserung oder gar Heilung einer Demenz möglich – bisher eine absolute Utopie. Mittlerweile leiden bereits über 35 Millionen Menschen weltweit an Demenz. Alleine an Alzheimer wird Schätzungen zufolge bis 2050 einer von fünfundachtzig Menschen erkranken.
Angehörige von Demenzkranken brauchen allerdings nicht zu befürchten, dass Oma demnächst morgens einen Joint rauchen muss. Ziel weiterführender Untersuchungen wird sein, ein Medikament zu entwickeln, das eine kontrollierte Einnahme ermöglicht.
Bisherige Medikamente konnten das Fortschreiten einer Demenz langfristig nicht verhindern, geschweige denn diese heilen. Cannabinoide bekämpfen sehr effektiv Vorgänge, die für die Weiterentwicklung einer Demenz kennzeichnend sind. Nicht-psychoaktive Komponenten, die zudem keine Auswirkungen auf die normale Hirnleistung haben, stellen daher einen äußerst vielversprechenden Therapieansatz dar.